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persoenlicher bericht


I


1939
8. oktober, als erstes von vier kindern geboren in apolda, getauft in niederroszla an der ilm, aufgewachsen in groszheringen an der muendung dieses flusses; der vater unterlaeszt die eintragung des von der mutter gewuenschten cognomens eberhard

des

1944
sehe von unserer ilmwiese aus, auf den abstellgleisen des groszheringer bahnhofs, menschen in bewachten viehwaggons; unter persennings auch 'v3' genannte raketen; frage an das aus dem zerbombten wuerzburg gekommene, auf der rueckreise durch tieffliegerbeschusz schwer verletzte und gestorbene kindermaedchen irmgard, mit dessen hilfe ich lesen lernte: 'kann hitler oder goethe einen buchstaben zum alphabet erfinden?' - 'nein'; an die mutter: 'wie kommt es, dasz bei den tieren die maenner, bei den menschen die frauen schoener sind?'; um diese zeit auch tiefes traumerleben; seitdem gegenweltlich gesinnt; der schweizer loeffler zu der den hof allein fuehrenden mutter: 'der wird nie bauer'

1945
nach dem einmarsch der amerikanischen truppen auf dem staatsgut niederroszla des groszvaters richard haubner; dieser, freimaurer, wird nach uebernahme durch die sowjetische armee inhaftiert und stirbt wenig spaeter; das ehemalige saechsisch-weimarische rentamt wird, bis auf die wasserburg, abgerissen

1949
der vater, diplomlandwirt, kehrt aus englischer kriegsgefangenschaft zurueck; beginn der staatlichen repressalien; laendliche kindheit in den buschwaeldern an ilm und saale

1950
berufswunsch bei einer befragung in der grundschule groszheringen: 'forscher'; lektuere der bibel und, bis zur flucht, beinah des ganzen doppelreihig gefuellten buecherschranks, nicht aber des 'hyperion', der nach den ersten betaeubenden zeilen zurueckgestellt wird

1953
fruehjahr, die aufnahme in die oberschule apolda wird aus politischen gruenden verweigert; 11. juni, mit der familie im nachtzug nach westberlin, bahnhof zoo; zuvor noch mit den geschwistern im naumburger dom; 5. august, nach aufenthalt in verschiedenen lagern aufnahme als sbz-fluechtling in das internat oberurff des 'evangelischen jugenddorfwerks deutschland'; heimweh nach thueringen und briefwechsel mit dem maedchen, das neben mir sasz, getrennt durch die damals unueberbrueckbare kluft des gangs zwischen den schulbankreihen

1955
auf der ersten documenta in kassel; tiefen eindruck hinterlaeszt marc chagalls groszformatiger, im katalog nicht abgebildeter 'rabbiner'

1956
februar, unerlaubter ausflug nach florenz; danach linolschnittfolge 'in babel'; schon zuvor erste preise bei den bundesweiten 'musischen wettbewerben' des jugenddorfs

1957
4. mai, tod des in armsfeld lebenden malers und schriftstellers erich scheurmann, in hohem alter noch kunstlehrer an der internatsschule; er riet, alles aufzubewahren und ein freies kuenstlerisches leben unbeirrbar ins auge zu fassen; im sommer mit einem freund zweite kunstreise nach florenz

1958
april, verlust des freiplatzes wegen des verzichts auf schulische leistungsbeweise und ausschlieszlich kuenstlerischer beschaeftigungen; beim uebergang zur albert-schweitzer-schule in kassel wegen fehlender sprachkenntnisse rueckstufung um eine klasse; juni, gaenzliche aufgabe des schulbesuchs; stattdessen intensivierung der lektuere in der murhard-bibliothek; oktober, beginn des studiums buchgrafik an der staatlichen werkkunstschule

- fortsetzung -