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Jasons Stein
A. a. A.

Wozu eigentlich Erklärungen? Gelingen verbreitet die Täuschung, Vergeblichkeit sei nicht die Regel. Wohl vergeblich, wie in vielem, hat Theodor W. Adorno zu Beginn seines 1963 auf der Jahresversammlung der Hölderlin-Gesellschaft
gehaltenen Vortrags 'Parataxis: Zur späten Lyrik Hölderlins' auf die Grenzen philologischer Texterklärungen hingewiesen, denn die Exegesen hörten deswegen nicht auf, das Unerklärliche an Gedichten beiseitezuräumen und sie dafür mit einer Schuttschicht besseren Wissens zu überdecken. Im Gegenteil: er forderte damit die Hölderlinphilologie zu noch umfassenderen, zu noch tiefsinnigeren Textdeutungen heraus. Wie immer, wenn einer von außen die Kreise stört, kam man überein, Adorno sei weder als Philosoph noch als Philologe ernstzunehmen und hielt es sich noch zugute, daß man ihn habe reden lassen. Aber auch Adornos Zuversicht, eine längst verblichene Philosophie leiste, was der Philologie versagt sei, kann kaum noch geteilt werden. Der Streit, welcher Geisteswissenschaft der Dichter gebühre, wirkt unergiebig und abgestanden. Vor Erscheinen einer neuen historisch-kritischen Hölderlin-Ausgabe ist vielmehr eine andere Frage zu beantworten: wozu eigentlich Erklärungen? Der rhetorische Unterton ist beabsichtigt; die Erklärungen sind noch immer ein Anliegen. Und doch ist mit dieser Frage keine pauschale Negation beabsichtigt; sie zielt vielmehr auf eine Unterscheidung von notwendigen und überflüssigen Erklärungen …