marikke heinz-hoek, hoelderlin-triptychon








     marikke heinz-hoek
     hoelderlin-triptychon
     1997

 

VERBORGENER TEXT

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das schattenland kreuz und quer durchzogen. die schatten aufgesammelt und aufgespießt im kunstlicht. erinnerungsrest an der rückwand des eingangsbereichs. und einer muß zur stelle sein der den verborgenen text aus dem papierkorb holt. der sich neben den stahlträger stellt mit dem weinlaubkapitell das sie aus der baugrube fischten. ein schön installierter kontrast zum kunstwerk das sich an diesem ort besonders keusch zu geben hat. nackt aber ohne blöße. und jener erhebt seine stimme und dechiffriert das nicht umsonst codierte. peinlich in dieser kälte. und referiert in sklavensprache: 'An den Früling.' entstanden 1792. hexametrischer entwurf. verliebt in die braut eines andern. vermutlich Auguste Breyer. er schreibt von der 'holden Gestalt'. sein Stuttgarter freund Ludwig Neuffer weiß schon bescheid. deswegen die hier nicht wie andernorts durch kunst geschlossene lücke. mythisierung des eigenen namens: 'wir enthüllen du Holder / Deinem Lebenshauche die glühende Brust…' und zeigt o wie eklig mit spitzem finger auf den schattenriß gefunden im handexemplar des 'Hyperion' von 1797 ausgewalzt auf dem nudelbrett der verfremdungsmaschine und ruft es aus auf dem teppichboden der grauzonenbehörde die nullkommadrei prozent seines nettoeinkommens einstreicht. 'le pauvre Holterling' im alter von siebenundzwanzig jahren. gewebt aus blindtext. gekontert. andenken an den garten im westend bei Stroemfeld / Roter Stern in der Holzhausenstraße wo sie in der laube saßen und im buch ihrer liebe lasen was war was ist und was sein wird. und auch ihre kinder nannten ihn 'Holder'. und da er ausgeredet und fortgegangen überwies ihm die angestelltenkammer der freien und hansestadt Bremen ein honorar in höhe von zwanzig zwangsweise eingezogenen monatsbeiträgen …

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… Hernach sprach er wieder: 'O Deutschland, das du geglättet bist, wie der Rücken eines Esels!'

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nach vier weiteren schattenspielen dieser art ein protokoll aus Autenrieths anstalt:

Mit dumpfem Nachhall brachen sich die Wellen des Flusses an den felsigten Ufern. Nach und nach erloschen die fernen Stimmen; nur Holders klagender Ruf scholl noch in's Thal hinab. Er hatte sich an's Gitter seines Fensters gestellt, und rief die vorüberziehenden Wolken um Hülfe an.

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zu dem allen schweigt die kulturikone Marikke Heinz-Hoeks. Sie bekennt sich zu dem was sie ist und tut gut daran. denn das wenige was sie zeigt ist die genaue wahrheit.