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8. 3. 2002

canon â 4. voc: perpetuus (bwv 1073)

seinem umfang und der struktur nach vokalisiert der am 2. august 1713 vermutlich dem anfang september von Weimar nach Augsburg zurückreisenden Bach-schüler Philipp David Kräuter ins stammbuch geschriebene kanon perpetuus ps CXXVI: wenn der herr die gefangen zion erlösen wird so werden wir sein wie die träumende. denn wird unser mund voll lachens und unser zunge voll rühmens sein da wird man sagen unter den heiden der herr hat großes an ihnen getan. || der herr hat großes an uns getan des sind wir fröhlich. herr wende unser gefängnis wie du die wasser gegen mittage trockenest. die mit tränen säen werden mit freuden erndten. sie gehen hin und weinen und tragen edeln samen und kommen mit freuden und bringen ihre garben

die textwahl spiegelt die dem abschied nehmenden schüler bekannte unzufriedenheit des hoforganisten Bach mit seinem status in der Sächsisch-Weimarischen dienerschaft; eine woche später starb der organist der liebfrauenkirche in Halle, um dessen stelle sich Bach bald darauf beworben haben dürfte; auf seine bestallung im dezember des jahres reagierte der hof mit erheblicher verbesserung des gehalts und der ernennung des hoforganisten zum konzertmeister

die den psalm im verhältnis von 60 : 74 silben teilende wiederholung von der herr hat großes an uns getan bestimmt die oben mit der sigle || bezeichnete repetitionsstelle und so auch den kanonumfang; während der kürzere eingangsteil eine freiere artikulation zuläßt, entspricht die anzahl der einzelnoten (sechzehntelpaare = 1) genau der silbenzahl des mithin syllabisch vokalisierten schlußteils